Kann die Natur uns heilen? Und im Umkehrschluss — kann ein Mangel an Natur in unserem Umfeld uns krank machen? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Ökotherapie und die Ökopsychologie, eine Forschungsrichtung, die sich derzeit vor allem in den USA neu etabliert und wichtige Erkenntnisse für unser Wohlbefinden sowie den Umgang mit der Natur bringen könnte. eternal beauty stellt sie vor.
Eine neue Forschungsrichtung
Mit der Ökopsychologie und der daran anknüpfenden Ökotherapie etabliert sich derzeit vor allem in den USA ein neues Forschungsgebiet. Untersucht wird die heilsame Wirkung grüner Naturlandschaften auf das mentale und körperliche Wohlbefinden. Gleichzeitig geht es darum, das verkümmerte Verhältnis des Menschen zur Natur wieder zu verbessern und ein stärkeres Umweltbewusstsein zu schaffen. Das ist vor allem in Zeiten von Klimawandel, Zerstörung und Ausbeutung der Natur ein wichtiges Feld.
Die Natur als Heilmittel insbesondere bei psychischen Krankheiten, Waldspaziergang statt Psychopharmaka — das ist der Ansatz der modernen Ökotherapie. Entsprechend tauchen in jüngster Zeit mehr und mehr Studien zu dem Thema auf. Das Fachjournal „Ecopsychology“ ist ein Resultat dieser Forschungsbemühungen und will herausfinden, wie Menschen die Natur wahrnehmen und was das für den Umgang mit dieser versiegenden Ressource bedeutet.
Ökotherapie und die Wissenschaft
Mit dem Begriff Biophilia bezeichnen Biologen unter anderem die Annahme, dass eine Verbundenheit mit der Natur fest in unseren Genen verankert ist und Menschen von Grund auf dazu neigen, sich mit allem Lebendigen verbunden zu fühlen. Entsprechend gehen Wissenschaftler davon aus, dass Menschen bereits genetisch gesehen gern Zeit in der Natur verbringen und davon profitieren. Unterschiedliche Studien und Experimente stützen diese These und haben weitere spannende Erkenntnisse zutage gefördert.
Eine Studie des Verhaltensforschers Roger Ulrich der Texas A&M University etwa betrachtete zwei Patientengruppen in Krankenhauszimmern, wobei eine Gruppe nur eine Backsteinwand und die andere eine Baumformation sehen konnte. Die zweite Gruppe benötigte auffallend weniger Schmerzmittel und konnte früher entlassen werden. Eine Studie des Amsterdamer VU Medical Centers untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Wohnort und der Gesundheit. Probanden mit Grünanlagen in ihrer Nähe litten seltener an Herzkreislaufproblemen und Depressionen. Dass ein fünfminütiger Spaziergang im Grünen im Vergleich zum Gang durch ein Einkaufszentrum mentalen Problemen entgegenwirkte, entdeckten Forscher:innen der Universität Essex. Einen Zusammenhang zwischen einer deutlich verringerten Sterberate und einem Domizil in der Nähe von Grünflächen stellten wiederum Wissenschaftler:innen der Harvard Universität und des Brigham Woman’s Hospital fest, welche über einen Zeitraum von acht Jahren 100.000 Frauen untersuchten.
Krank durch Naturmangel?
Die Industrialisierung und der fortlaufende Rückgang der Natur zugunsten von Städten und Autobahnen haben dazu geführt, dass viele Menschen keinen direkten Zugang mehr zu grünen Landschaften haben. Einige Forscher:innen stellen einen Zusammenhang zwischen psychischen Krankheiten und einem Mangel an Natur in der direkten Umgebung her. Vor allem bei Kindern soll zu wenig Bewegung in der Natur mentale Störungen wie ADHS begünstigen. Diese Haltung wird teilweise kritisiert: So betonen andere Forscher:innen wiederum, dass psychische Krankheiten immer eine Vielzahl von Ursachen haben und es mit der Naturerfahrung allein nicht getan sei. Trotzdem sind die positiven Effekte auf Körper und Geist, welche der Aufenthalt im Grünen mit sich bringt, nicht zu leugnen: Die Herzfrequenz und der Cortisolspiegel sinken, Blutdruck und Puls regulieren sich, das Immunsystem funktioniert langfristig besser und der Schlaf profitiert. Psychische Probleme wie Depressionen und Angststörungen werden gemildert und es entsteht ein Gefühl von Verbundenheit mit der Welt um sich herum.
Das macht die Naturerfahrung so heilsam
- Die Farbe Grün: Der Farbe Grün wird in der Farbtherapie eine heilsame, entspannende und ausgleichende Wirkung auf die Psyche zugeschrieben. Dieser Effekt konnte mittlerweile sogar nachgewiesen werden.
- Sinnesreize: Die vielfältigen Sinneseindrücke, die man in der Natur erleben kann, sind kaum vergleichbar mit denen in einem geschlossenen Innenraum: Man hört Vögel zwitschern und Insekten summen, riecht Blumen und Kräuter, spürt die Sonnenstrahlen auf der Haut und entdeckt ein breites Spektrum unterschiedlicher Farbtöne, die nur die Natur so zaubern kann.
- Vitamin D: Das essenzielle Vitamin D bekommen wir Menschen in natürlicher Form nur durch den Einfluss von Sonnenlicht. Es ist nicht nur enorm wichtig für die Knochengesundheit, sondern auch für eine gesunde Psyche.
- Frischluft: In geschlossenen Räumen ist die Luft meist deutlich stärker belastet als draußen. Bis zu 6.000 verschiedene Chemikalien können sich darin befinden. Die sauerstoffreiche Frischluft in der Natur hingegen ist eine Wohltat für die Lunge.
- Bewegung: Natürlich spielt auch die Bewegung draußen eine große Rolle für das körperliche Wohlbefinden. Sie schafft einen Ausgleich zu monotonen Positionen, die wir im Alltag meist einnehmen wie dauerhaftes Sitzen oder Stehen. Sie stärkt zudem das Herz-Kreislaufsystem, wirkt Übergewicht entgegen und fördert die Ausschüttung von Glückshormonen.
- Natürliches Licht: Das blaue Licht von Handy- und PC-Bildschirmen setzt unseren Augen auf Dauer ganz schön zu. Das natürliche Tageslicht belebt ermüdete Augen und die vielfältigen Naturlandschaften wirken Einseitigkeit entgegen. Darüber hinaus benötigen wir das natürliche Tageslicht, insbesondere morgens, damit unsere innere Uhr richtig funktionieren kann.
Erkenntnisse der Ökotherapie für sich nutzen
Die Ökotherapie hält uns wieder einmal vor Augen, wie wichtig der Aufenthalt in der Natur für uns Menschen ist. Wer von dieser Erkenntnis profitieren möchte, sollte unbedingt darauf achten, täglich nach draußen zu gehen und Zeit im Grünen zu verbringen — und wenn es nur ein fünfminütiger Parkspaziergang ist, weil der Terminplan nicht mehr hergibt; auch das hilft bereits. Dafür können für das Wochenende ein längerer Waldspaziergang, eine Radtour oder ein Picknick eingeplant werden. Auch Gartenarbeit und Sport im Freien sind gute Methoden, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.
Tamara Draisbach
13. April 2023