Ein Online-Meeting steht an: noch schnell abpudern und dann ab vor den Bildschirm. Während man sich auf das Besprechungsthema konzentriert, wandern die Augen immer wieder ins Bildschirmeck, wo das eigene Gesicht zu sehen ist. Manchen fallen genau dann noch nie bemerkte Makel auf. Lässt man sich von diesem Eindruck stark beeinflussen, kann von Zoom-Dysmorphia die Rede sein.
Stärker mit eigenem Erscheinungsbild konfrontiert
Die endlos scheinenden Monate, in denen viele Meetings nur über Zoom, Skype und Co. stattfanden, sorgten für eine neue Wahrnehmung des Arbeitslebens. Und manchmal auch des Selbstbildes. So stellten Videokonferenzen für viele eine Herausforderung dar. Und zwar nicht nur, weil sie den direkten Kontakt zu Kollegen vermissten. Auch, weil sie mehr mit dem eigenen Erscheinungsbild konfrontiert waren. Während der Meetings ist schließlich immer das eigene Gesicht im Bildschirmeck zu sehen. Und dieser Umstand kann dazu führen, dass man sich kritischer betrachtet – und mehr über mögliche Makel nachdenkt.
Zoom-Dysmorphia: Wahrnehmung nie bemerkter Makel
Studien belegen, dass für viele, die sich in den letzten Monaten einem ästhetischen Eingriff unterzogen, die veränderte Selbstwahrnehmung über den Bildschirm eine Rolle spielte. Betroffene sagen, dass sie merkten, wie sehr verändert sie nach all den Monaten im Homeoffice wirkten. Darüber hinaus wurden sie über die Kamera auf Makel aufmerksam, die sie nie zuvor bemerkt hatten.
Unterbewusste Wahrnehmung führt zu Unzufriedenheit
Das hängt damit zusammen, dass die meisten von uns im zuvor im Alltag nie so sehr dem eigenen Erscheinungsbild ausgesetzt waren. Durch die Notwendigkeit der Videokonferenzen verbrachte man nun automatisch mehr Zeit damit, das eigene Gesicht und seine Wirkung zu analysieren – was oft unterbewusst geschieht. Doch diese unterschwellige Analyse mündet oft in einer tiefgreifenden Unzufriedenheit und letztendlich in einem Eingriff – über den diejenige Person noch Monate zuvor nicht einmal nachdachte.
Zoom-Dysmorphia wird nicht so schnell verschwinden
Die Störung der Selbstwahrnehmung nannten Experten „Zoom-Dysmorphia“. Dieser Trend, wird laut einer Studie der Universität Harvard nicht so schnell verschwinden. Zum einen, da viele immer noch von zuhause aus arbeiten und auf Videokonferenzen angewiesen sind. Zum anderen, weil es kaum möglich ist, die über Monate wahrgenommene negative Selbstwahrnehmung einfach so abzuschütteln. In Extremfällen kann die stetige Konfrontation mit dem eigenen Erscheinungsbild zu einer Krise führen, in der Betroffene jedes Detail ihres Äußeren kritisch betrachten.
Frontkamera sollte nicht überbewertet werden
Doch in Wahrheit gibt es keinen Grund, sich zu sehr von dem Resultat der Frontkamera beeinflussen zu lassen. Sie nimmt uns schließlich in einem Winkel und einer Nähe auf, die in einem persönlichen Gespräch nie derartig gegeben sind. Hinzu kommt das Licht, das am Schreibtisch oft unvorteilhaft das Gesicht beleuchtet. „Zoom-Dysmorphia“ entsteht also durch ein Zusammenspiel von vielen Faktoren, die stark variieren und daher fernab der Kamera ein ganz anderes Erscheinungsbild von uns erzeugen. Deshalb: Bei der nächsten Videokonferenz so gut wie möglich auf das Meeting diskutieren – und das kleine Bild in der Ecke nicht zu ernst nehmen.
Pia Scheiblhuber
16. Oktober 2021