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Haartransplantation

Reine Kopfsache

Credit: Pexels

Kaum ein anderes Körpermerkmal beeinflusst das Aussehen so stark: Haare sind unser naturgegebenes Top-Accessoire. Voll und glänzend stehen sie für Vitalität, Kraft, Jugendlichkeit. Und wenn sie ausfallen, dünner werden? Trifft das hart. Wohlbefinden und Selbstwertgefühl bröckeln.

Haarausfall: Ein Tabu-Thema

Die Negativ-Spirale wird noch verstärkt, weil Haarausfall ein Tabu-Thema ist. Obwohl fast jeder Zweite im Laufe seines Lebens darunter leidet. „Haarausfall oder lichter werdendes Haar betrifft Frauen und Männer ab einem gewissen Alter gleichermaßen“, erklärt Stefan Duve, der mit Kollegen das Münchner „Haut- und Laserzentrum an der Oper“ führt. Betroffene sieht er täglich, auch junge Menschen. Schilddrüsenerkrankungen, Hormonschwankungen, Stress – oder der straffe Zopf an der immer gleichen Stelle – Ursachen für Haarausfall gibt es viele, am häufigsten ist der hormonbedingte, genetisch festgelegte Haarverlust (androgenetische Alopezie). Ein Blutbild und die computergestützte Haarwurzelanalyse bringen Klarheit und zeigen, welche Therapien infrage kommen. Die klassischen Erste-Hilfe-Methoden wie Coffein-Shampoo oder medizinische Tinkturen wie Minoxidil haben dann bereits viele ausprobiert. Wenn auch moderne Methoden wie Mesotherapie (Injektion eines Vitamin-Protein-Cocktails) oder die PRP-Behandlung mit Eigenblut nicht ausreichend erscheinen, kommt die Transplantation ins Spiel. Über zwei Millionen Menschen weltweit haben sich 2019 laut ISHRS (International Society of Hair Restoration Surgery) dafür entschieden. „Glücklicherweise hat sich das Stigma von Haarausfall und Transplantationen in den letzten Jahren etwas aufgelöst“, sagt Dermatologe Duve, „entscheidend dafür war wohl, dass sich einige Celebrities dazu bekannt haben.“ Matthew McConaughey oder Elton John etwa sprachen offen über ihre Haartransplantationen.

Welche Methoden gibt es?

Drei Methoden haben sich in der modernen ästhetischen Medizin etabliert, die neueren sind die FUE (Follicular Unit Extraction) und die DHI (Direct Hair Implantation). „Einzelne Haarwurzeln mit den dazugehörigen Haaren werden entnommen – meist am Hinterkopf – und an anderen Stellen mittels einer feinen Nadel wieder eingesetzt. Lediglich die Hilfsmaterialien, mit denen die Follikel ausgestanzt werden, variieren bei den Methoden“, erklärt Duve. In seiner Praxis wird hauptsächlich DHI angewendet. „Früher entnahm man bei Haartransplantationen ein großes Stück Kopfhaut mit vielen Haaren, zerkleinerte das Gewebe und verpflanzte es dann. Aber das Prinzip der FUT hinterlässt stets eine große Narbe.“ Nicht empfehlenswert. Auch wenn Transplantationen immer noch sehr aufwendig erscheinen, so überzeugen sie dennoch – auch weil die Verteilung der Haare individuell festgelegt werden kann, ob etwa Geheimratsecken ausgeglichen oder der Haaransatz rekonstruiert werden soll. Sogar in Narbengewebe können Haarwurzeln implantiert werden. Allerdings kann nicht jede Art der Alopezie mit den beschriebenen Methoden behandelt werden, wie etwa der sogenannte kreisrunde Haarausfall. „Außerdem müssen für eine erfolgreiche Transplantation genug Haare in der Spenderregion vorhanden sein, die man entnehmen kann“, ergänzt Duve.

Kosten

Für eine Haartransplantation in Deutschland muss man mit Kosten zwischen 3.000 und 12.000 Euro rechnen. Der Eingriff wird meist ambulant unter örtlicher Betäubung durchgeführt und dauert – je nach Anzahl der Transplantate – zwischen zwei und acht Stunden. Auch anschließend ist Geduld gefragt. „Die neuen Follikel müssen erst mal anwachsen. Implantierte Haare können auch wieder ausfallen – das aber ist ein völlig normales Phänomen und bedeutet nicht, dass die Wurzel abgestorben ist“, so Duve. „Das volle Ergebnis ist nach ein paar Monaten zu sehen.“

Wie geht es weiter?

Der Einsatz von Stammzellen könnte die Methoden noch entscheidend weiter voranbringen, längst wird an der Haarneubildung durch Zelltherapie intensiv geforscht. Japanischen Wissenschaftlern gelang im vergangenen Jahr ein echter Durchbruch: Mithilfe von Silikonöl züchteten sie aus Stammzellen 5.000 Haarfollikel, bei anderen Versuchen kam man bisher nur auf 50. Doch bis zur Legalisierung von Hair Cloning, der In vitro-Kultivierung von Follikeln, ist es noch ein langer Weg. Im niederländischen Hair Science Institute mit Dependancen in Amsterdam, Paris, London, Dubai wurde derweil die sogenannte HST-Methode (Haarstamcel-Transplantatie) entwickelt. Ein Therapieansatz, der davon ausgeht, dass sich auch in der Kopfhaut Stammzellen finden, weshalb die Follikel per Nadel gespalten werden und nur ein kleiner Teil extrahiert wird. Auf diese Weise sollen sowohl im Donor- als auch im Transplantationsgewebe genügend Zellen für neues Wachstum erhalten bleiben.

Der Traum vom eigenen Haar, das sich unendlich vermehren lässt, gezüchtet im Reagenzglas, bleibt wohl noch ein Weilchen ein Traum. Doch Experten sind sicher: „Stammzellen sind die Zukunft“, so Duve, „in den nächsten zehn Jahren werden wir schon ganz andere Möglichkeiten haben als heute.“ Und wer auf die Therapien von morgen vorbereitet sein will, lässt seine Haarwurzeln jetzt einfrieren – denn mit dem Alter verlieren sie an Qualität. In den USA ist das Follicle Banking, das Einlagern bei minus 196 Grad Celsius, bereits möglich.

Von:
Patrick Vogel
19. Dezember 2021