Spieglein, Spieglein an der Wand… mehrmals am Tag betrachten wir unser Spiegelbild. Mal bewusst wie beim Auftragen von Make-up, mal unbewusst im Vorbeigehen. Meistens finden wir unser Aussehen ganz okay (fast 60 Prozent der Deutschen fühlen sich in ihrem Körper wohl) oder wir bewerten es erst gar nicht. Doch einigen Menschen geht das nicht so, sie leiden unter einer Körperdysmorphen Störung. Für sie ist der Blick in den Spiegel eine Qual, denn sie sehen Mängel, wo augenscheinlich keine sind.
Bin ich schön?
Sich ab und zu nicht wohlzufühlen in der eigenen Haut ist normal. Auch, dass manche generell bei dem Anblick ihres Hautzustands oder Bauchumfangs nicht entzückt sind – so gut wie niemand mag sich immer zu 100 Prozent. Anders ist es, wenn eine extreme Unzufriedenheit dauerhaft anhält und eine übersteigerte Abneigung gegen den eigenen Körper oder bestimmte Körperpartien besteht. Zirka zwei Prozent der Deutschen leiden unter einer krankhaften Wahrnehmungsstörung, die nicht immer sofort diagnostiziert wird: die Körperdysmophe Störung.
Was ist eine Körperdysmorphe Störung?
Die Dysmorphophobie ist eine Erkrankung, die mit starken Schamgefühlen einhergeht, weshalb sie auch als „Schamkrankheit“ bezeichnet. Die psychische Erkrankung beschreibt Menschen, die ihren Körper nicht mögen, ihn nicht akzeptieren wie er ist. Betroffene Frauen und Männer beschäftigen sich intensiv mit einem aus ihrer Sicht körperlichem Mangel, der für Außenstehende nicht wahrnehmbar ist. Die Krankheit beeinflusst den Alltag dieser Menschen immens. Die Öffentlichkeit wird gemieden, der Blick in den Spiegel wird zur Qual.
Besonders in der Kritik: das Gesicht
Die Körperdysmorphe Störung kommt bei Männern und Frauen gleichhäufig vor. Sehr häufig bezieht sich die Kritik am eigenen Körper auf das Gesicht. Die Nase ist zu groß, die Augen zu klein, die Lippen zu schmal, die Haut nicht perfekt. Mit kosmetischen Maßnahmen wie Make-up oder minimal-invasiven Behandlungen versuchen die Betroffenen, ihre vermeintlichen Makel zu vertuschen. Doch dauerhafte Zufriedenheit stellt sich auch nach dem Kaschieren oder einer Schönheitsoperation selten ein.
Was kann Betroffenen helfen?
Bei der Diagnose Körperdysmorphe Störung ist eine psychologische Unterstützung der wichtigste Therapieansatz. Denn: Den Makel einfach „wegzuoperieren“ zeigt laut Experten wenig Wirkung. Kurzfristig kann eine Optimierung zwar Linderung schaffen, schnell finden die Betroffenen aber einen neuen Makel an ihrem Körper. In dem obligatorischen Erstgespräch finden erfahrene Plastische Chirurgen allerdings schnell heraus, ob dem Wunsch nach Veränderung eine Körperdysmorphe Störung zu Grunde liegt. Mit Hilfe von speziellen Fragebögen und durch das persönliche, intensive Gespräch werden Patienten fundiert beraten. Im Fall einer Dysmorphophobie oder anderen abnormen Wunschvorstellungen wird Patienten von der Schönheitsoperation abgeraten.
Den richtige Experten finden
Generell gilt: Wer eine Schönheitsoperation plant, der sollte im Vorfeld auf die Qualifikation des Arztes (Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie) und auch eine Mitgliedschaft in einer Fachgesellschaft oder einem Berufsverband achten. Ebenso wichtig ist zu erfragen, wie oft der Arzt den geplanten Eingriff schon durchgeführt hat.
Julie Gorkow
9. November 2020